Jetzt haben wir noch fünf Shows zu spielen hier in Münster... Allerdings macht uns die Hitze derzeit ganz schön zu schaffen. Zwar ist das Theater (ehemals Roland Frosch Theater) klimatisiert, aber dennoch merken wir den Wetterumschwung. Da auch das Mindset Deutschlands derzeit eher beim Fussball liegt, ist es manchmal ein besonderer Aufwand, Spaß und gute Laune zu verbreiten. Schön sind dabei gute Vorbilder, zum Beispiel den Tennis Spieler Roger Federer, der in seiner "Commencement Speech" am Dartmouth Campus (im Osten der USA) seine Nachrichten wie folgt zusammenfasste: 1) Effortless is a myth 2) It's only a point 3)Life is bigger than the court. Mit anderen Worten: 1.Leichtigkeit des Erfolges ist ein Mythos. Auch wenn sein Spiel leicht aussah, es steckte sehr viel Arbeit dahinter. Nebensatz: "Belief in yourself has to be earned" - let that sink in! Selbstvertrauen muss man sich erarbeiten! 2. Es ist nur ein Punkt! Jeder Punkt der vor Dir liegt ist der wichtigste! Aber wenn der Punkt vorbei ist, war es nur ein Punkt. Egal wie schlecht oder toll der Ball war. 3. Das Leben ist größer als der Tennisplatz. Tennis hat Roger weit gebracht, aber Tennis ist nicht sein Leben. Es gibt so viel wichtigeres, daher hat Roger eine Stiftung, um Bildung nach Afrika zu bringen. Es geht darum, etwas wichtigeres zu tun als mit Tennis zu unterhalten. Es geht darum, Bedeutung zu haben. Dies sollten wir uns bei unseren Shows auch immer vor Augen halten, gerade wenn es hart wird.
Die Rede von Roger Federer hat mich zu einer solchen Rede von Conan O Brian geführt, die er ebenfalls vor Dartmouth gehalten hat, vor einem komischen Baumstamm als Rednerpult in einer unfassbar altmodischen Robe, die Alumni haben Zauberstäbe in der Hand und komische Abzeichen... seine Rede ist unglaublich lustig, zum Schluss sagt er: Letterman wollte wie Johnny Carson sein, er wollte wie Letterman sein, aber das Unglück, nicht so sein zu können, ist der Katalysator zu einem besseren Selbst, wenn man dieses Unglück akzeptiert.
Diese Rede wiederum hat mich zu einer Rede von David Foster Wallace geführt, die da "Dies ist Wasser" heißt und die mich wieder einmal darauf hingewiesen hat, wie interessant Geschichten sind und wie gern wir alle Geschichten hören. Zum Beispiel die Geschichte: Zwei junge Fische schwimmen in eine Richtung, da kommt ihnen ein älterer Fisch entgegen und fragt: Und, wie ist das Wasser? Kurze Zeit später fragt der eine Fisch den anderen: Was ist Wasser? Nun, die Geschichte ist interessant, aber man weiß nicht wirklich, was sie bedeutet, außer, dass wir vielleicht nicht immer wahrnehmen, was um uns ist. Wir sollten achtsamer sein. Eine anderer Geschichte geht so: Zwei Leute in Alaska unterhalten sich, einer ist gläubig, der andere ist Atheist. Der Atheist sagt: "Ich war mal in einem Schneesturm und ich habe dann doch mal zu Gott gebetet. Ich wurde auch gerettet. Aber das lag nicht an Gott sondern an den Eskimos die zufällig vorbeikamen." Die Geschichte ist auch nicht schlecht aber bedeutet nur, dass wir alle unterschiedliche Wahrnehmung der Dinge haben. Wir sollten nur eben unsere "Default" Einstellungen überprüfen und dort, wo wir sie bestimmen können, dieser auch definieren. Zum Beispiel wenn wir denken, die anderen im Supermarkt oder oder im Stau sind uns im Weg, sollten wir nachdenken, ob diese Person, die da gerade im Auto ist, nicht derzeit ihren krebskranken Mann pflegt und ganz andere Probleme hat als wir. Diese Wahl so zu denken haben wir.
Und so sollten wir dankbar sein, dass wir das tun dürfen, was wir tun, nämlich Menschen unterhalten zu können und zum Großen und Ganzen beitragen zu können, das größer ist als nur die Show.
Bei der ersten Kindershow am Dienstag hat ein Kind nach dem Gedankenlesen nicht mehr aufgehört zu weinen, ich musste etwas sagen, habe dann versucht zu trösten von der Bühne... daher sollte ich vielleicht Text haben für so eine Situation. Zum Beispiel: Ich sehe, da ist jemand traurig im Publikum, wir unterbrechen mal kurz, folgender Vorschlag: Wir treffen uns nach der Show im Foyer und machen ein Foto zusammen und schauen, was wir tun können, damit niemand mehr traurig ist, gut?

Münster zeigt sich von der besten Seite, seitdem es weiß, dass ich demnächst hier die Zelte abbreche (genau genommen: übermorgen!)... das Wetter ist phantastisch, vor allem um abends noch open air tanzen zu gehen (besitos!) oder um noch eine Stadtrundfahrt zu machen. Oder einen Stadtrundlauf auf den Spuren von Thiel und Börne. Die Tatort Tour ist eine Art Schnitzeljagd quer durch die Stadt... wobei wir gehalten waren, nach bestimmten Sehenswürdigkeiten zu suchen, etwa die Käfige, in denen tote Wiedertäufer ausgestellt waren oder eine Kirche ohne Turm. Meistens wurde ein Bild gezeigt mit Thiel und Börne und man musste herausfinden, wohin die beiden gerade blicken.
Nur die Wohnungs Situation in Münster ist von Anfang an bescheiden gewesen und das hat sich nicht gebessert. Nachts muss man die Fenster aufmachen, um Luft hereinzulassen aber leider lässt man auch die Geräusche der durchgeknallten Gestalten herein. Ich habe mal Ohropax versucht, aber da bin ich noch Anfänger. Ich suche bis heute die Wachsklumpen, die ich während der Nacht verloren habe. Vermutlich kleben die irgendwo an meinem Körper. Letztens hing ein Leukoplast (vom Mouthtaping) an meinem Pullover... fiel mir leider erst auf, nachdem ich es den ganzen Tag durch Münster getragen hatte.
Ich merke, dass es aber Zeit ist, weiter zu ziehen, denn in der Bewegung kommt man auf leichtere Gedanken. Oft haben wir zu viel Zeit, über kleine Verletzungen nachzudenken und das ist keine Tugend. Manche Sachen muss man einfach überspielen und den Gedanken mit einem anderen Gedanken ausfüllen. So etwa gestern, unser Jongleur Stas Vysotski hatte mal wieder seinen eigenen Weltrekord getoppt und wir standen nach einer sehr erfolreichen Show an der Bar. Stas ließ sich ein Glas Leitungswasser geben. Die Barkraft sagte: "Aber lass das nicht die Gäste sehen, dann wollen die auch Leitungswasser!" Leider war das überhaupt nicht lustig gesagt und darauf hin habe ich einfach den ganzen Abend mich über dieses Leitungswasser lustig gemacht in Anwesenheit der Kellnerin, weil ich das sooo doof fand; Stas ist ja eben KEIN Gast und ihm sollte kein schlechtes Gewissen gemacht werden, wenn er Leitungswasser haben will. Nach einer recht neuen EU Richtlinie sind Restaurants gehalten, Leitungswasser kostenlos zur Verfügung zu stellen, müssen es aber nicht. Ich finde, mit Wasser Geschäfte zu machen hat eh etwas unmoralisches und rangiert neben anderen zweifelhaften Geschäftsmodellen wie dem Geschäft mit Immobilien. Dann ging es weiter, dass ein befreundeter Zauberkollege mit seiner Frau da stand und einfach alle Sachen sagte, die man NICHT hören will nach einer erfolgreichen Show. Erst einmal kamen sie auf mich zu und sagten: Na, das Publikum war doch gar nicht so schlecht. Ich war verwirrt... wir hatten gerade Standing Ovations, aber wir hatten schon gesehen, dass der Kollege als einer der wenigen Zuschauer NICHT aufgestanden war. Anstatt einmal zu sagen, wie toll die Show war, gab es Komplimente für einzelne Effekte aber leider auch mit der Frage verbunden, wie denn das eine oder andere gehe. Ist da Elektronik dabei beim Gedankenlesen? Nein. Kommen da Nadeln aus den Stühlen, so dass die Zuschauer von den Stühlen aufspringen? Nein. Seid ihr dann überhaupt manchmal zu Hause? Nein. Wir wollen ja noch was erreichen. Ach ja? Was denn? Wir wollen die Weltherrschaft übernehmen. Ich habe dann das Gespräch abgebrochen. Selbstvertrauen muss erarbeitet werden.
Lieder für den Podcast "Komische Gespräche": Beagle Music Like Ice in the Sunshine und Tanze samba mit mir von Tony Holiday
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